Neustart nach der Krise

Klaus Rainer Kirchhoff

„Nach dem Corona-Schock: Neustart aus der Krise“ lautet der Untertitel des Buches von Bestseller Autor Daniel Stelter: „Coronomics“ – eine Wortschöpfung, die sich aus Corona und Economics zusammensetzt. In diesem sehr lesenswerten Buch geht es vor allem um – globale – ökonomische Folgen der Corona Krise. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Volkswirtschaften und die Weltwirtschaft nach Corona entwickeln werden und welche politischen Folgen damit verbunden sein werden.

In diesem Beitrag geht es um den speziellen Aspekt nachhaltiger Investitionen und wie sich Unternehmen aufstellen müssen, um für nachhaltig orientierte Investoren attraktiv zu sein. JPMorgan sieht in der Coronakrise einen Beschleuniger für nachhaltige Investitionen: Eine Umfrage von JPMorgan kommt zu dem Ergebnis, dass 55% der Investmentgesellschaften, die insgesamt 13 Billionen Dollar verwalten, davon überzeugt sind, dass Covid-19 die Nachfrage nach „Sustainable Assets“ in den nächsten drei Jahren vorantreiben werde (FAZ vom 10. Mai 2020). Bereits in den vergangenen Jahren ist das Volumen der nachhaltigen Geldanlagen stark gestiegen: Es hat sich in den vergangenen fünf Jahren vervierfacht auf 1.747 Milliarden Euro in Deutschland und Österreich im Jahr 2019 (Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2020, Forum Nachhaltige Geldanlagen).

Aber nicht nur nachhaltige Fonds treiben das Thema voran. Gemäß einer Umfrage von Union Investment berücksichtigen rund 72% aller institutionellen Investoren Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Anlageentscheidungen. Ende 2019 hatten knapp 2.400 Unternehmen die Principles of Responsible Investments (PRI) der Vereinten Nationen unterzeichnet. Sie verwalten rund 85 Billionen USD an Assets. Ein wichtiger Grund für diese Entwicklung: Unternehmen mit einem besseren ESG-Rating sind an der Börse erfolgreicher. So stellten Fidelity und Deka jüngst fest: Je besser das ESG-Rating eines Unternehmens, desto robuster fällt seine Wertentwicklung aus (FAZ vom 9. Mai 2020, PLATOW Börse vom 18. Mai 2020).

ESG steht für die englischen Begriffe Environmental, Social and Governance. Es geht dabei um die Beurteilung des Impacts eines Unternehmens auf die Umwelt, die soziale und gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens und um gute Unternehmensführung.

Unternehmen sind also gut beraten, sich strategisch mit diesem Thema auseinander zu setzen. Es reicht in Zukunft nicht mehr, einen farbig bedruckten „Nachhaltigkeitsbericht“ zu veröffentlichen, der alle möglichen – und manchmal auch unmöglichen – Umweltaktivitäten und soziale sowie gesellschaftliche Engagements des Unternehmens aufzeichnet. Auch eine separate Nachhaltigkeitsstrategie reicht nicht aus. Denn oft widerspricht die Nachhaltigkeitsstrategie der Geschäftsstrategie des Unternehmens. In der Nachhaltigkeitsstrategie geht es um weniger – Emissionen, Ressourcenverbrauch, etc. – und in der Geschäftsstrategie um mehr – Umsatz, Produktion, etc. -. Vielmehr geht es darum, die Strategie und das Geschäftsmodell des Unternehmens nachhaltiger zu gestalten. Die Strategie des Unternehmens muss sich an den ESG-Kriterien messen lassen.

Business Driver für ESG

Die Erwartungen der Stakeholder an eine verantwortungsvolle Unternehmensführung sind deutlich gestiegen. Wer heute junge Menschen für einen Einstieg in das Unternehmen begeistern will, der muss mehr bieten als ein attraktives Gehalt. Junge Menschen, vor allem die Talente, die sich ihren Arbeitgeber aussuchen können, wollen sich mit dem Purpose des Unternehmens identifizieren können und schauen heute mehr auf die Reputation als auf den Namen. Das gleiche gilt mittlerweile für Geschäftspartner und Kunden. Aber es gibt einen weiteren Grund, der Unternehmen heute dazu zwingt, sich professionell mit der ESG-Thematik auseinander zu setzen: Die Europäische Kommission ist fest entschlossen, die europäische Wirtschaft zur nachhaltigsten Wirtschaft der Welt zu transformieren. Dazu wurde der Neue Green Deal der Kommission vorgestellt. Ein zentrales Instrument dieser Politik ist Sustainable Finance – der EU-Aktionsplan für nachhaltiges Finanzwesen. Ziel dieser Initiative ist es, die Kapitalströme hin zu nachhaltigen Unternehmen zu leiten. Zukünftig werden die Konditionen für die Finanzierung zunehmend abhängig sein von dem Nachhaltigkeitsranking des Unternehmens. Es ist zu erwarten, dass Nachhaltigkeit Voraussetzung für ein Investment Grade Kreditrating werden wird.

Die drei wichtigsten Gründe für eine ESG-Strategie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  1. Ohne ESG-Performance sind Unternehmen zukünftig für viele Investoren nicht mehr investierbar.
  2. Die Attraktivität des Unternehmens wird durch eine ESG-Strategie für viele Stakeholder, vor allem für Mitarbeiter und Investoren, erhöht.
  3. Die ESG-Strategie ermöglicht den Unternehmen den Zugang zu Sustainable Finance (z.B. Green Bonds, Sustainable Bonds und Green Loans)

Strategie und Kommunikation bestimmen das ESG-Rating

Für Unternehmen in Deutschland ist der Weg zu einem ESG-Rating oft nicht sehr weit. Das liegt daran, dass Deutschland hinsichtlich der Kriterien, die für die Betrachtung der Nachhaltigkeit des Unternehmens herangezogen werden, aufgrund der existierenden Gesetze und Verordnungen sehr weit fortgeschritten ist. Die Gesetzgebung zum Umweltschutz ist in Deutschland recht stark ausgeprägt, so dass Unternehmen – wenn es um Themen wie Klimaschutz, Ressourcenknappheit oder Artenvielfalt geht – oft viele Detailinformationen vorzuweisen haben. Das gleiche gilt für soziale Themen wie Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter, Diversität, gesellschaftliches Engagement.

In der Frage der guten Unternehmensführung (Governance) ist oft ein großer Anpassungsbedarf zu beobachten. Das gilt für das Risiko- und Reputationsmanagement (Wirecard ist hier ein unrühmliches aktuelles Beispiel auf DAX-Ebene), die Besetzung und Wirkung der Aufsichtsgremien, Themen wie Compliance und Korruption. Bei all diesen ESG-Themen fehlt es in den Unternehmen oft an der strategischen Einordnung, an Konzepten, Maßnahmen und Kennzahlen zur Erfolgsmessung. Ein gutes ESG-Programm mit konkreten Zielen und einer entsprechenden Einbettung in das operative Geschäft ist entscheidend. Solche Programme zu entwickeln ist die Aufgabe des Strategieprozesses. Der zudem Schwächen im Unternehmen aufdeckt, so dass man davon ausgehen kann, dass ein Unternehmen nach der Entwicklung einer ESG-Strategie ein besseres Unternehmen ist.

Markt für ESG-Rating

Wenn eine entsprechende Strategie entwickelt wurde, ist es empfehlenswert, sich um ein ESG-Rating zu bemühen. Dies erleichtert die Nutzung der Finanzierungsinstrumente, die die Sustainable Finance bieten. In den vergangenen Jahren haben sich verschiedene Anbieter von Nachhaltigkeitsratings im Markt etabliert.

Jüngst ist der Markt für ESG-Ratings in Bewegung geraten. Morningstar hat kürzlich Sustainalytics gekauft, CVC in EvoVadis investiert, das ESG-Geschäft von RobecoSAM wurde Anfang des Jahres von S&P erworben. Zuvor wurde Moody’s wesentlicher Aktionär von Vigeo Eiris und Oekom Research von dem Stimmrechtsberater ISS übernommen. Das verdeutlicht die künftige Bedeutung der ESG-Ratings. Sie werden wohl bald eine ähnliche Position einnehmen wie das Aktienresearch.

ESG-Ratings bewerten die nicht-finanzielle Leistung eines Unternehmens – Environmental, Social, Governance. Noch gibt es dafür keinen definierten Standard. Jede Ratingagentur verwendet ihre eigene – subjektive – ESG-Bewertungsmethodik. Die Ratings basieren in erster Linie auf öffentlich zugänglichen Daten und Berichten der Unternehmen, hinzukommen Fragebögen. Ratings können im Auftrag des Unternehmens oder unaufgefordert – z.B. im Auftrag von Investoren – durchgeführt werden. Eines ist klar: Fehlende ESG-Informationen wirken sich negativ auf das Urteil aus und diese Unternehmen fallen zunehmend bei Investoren durch das Raster.

Hier sollten vor allem kleine und mittlere Unternehmen aktiv werden. Die notwendigen ESG-Strategien und -Programme decken ein breites Spektrum von Themen ab, die traditionell nicht Teil der Finanzanalyse sind, aber als finanziell relevant gelten. Darunter z.B. wie Unternehmen auf den Klimawandel reagieren, wie sie Emissionen vermeiden, wie effektiv ihre Gesundheits- und Arbeitssicherheitspolitik ist, wie sie ihre Lieferketten managen, wie sie ihre Mitarbeiter behandeln und ob sie eine Unternehmenskultur haben, die Innovationen fördert. Nur wenn die Unternehmen diese Themen transparent machen durch ein professionelles Reporting, die Website und die Unternehmenskommunikation haben sie eine Chance, mit diesen Themen auch wahrgenommen zu werden. Deshalb ist die Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil der ESG Strategieentwicklung.

Autor

Klaus Rainer Kirchhoff
ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Kirchhoff Consult AG. Das Unternehmen ist Mitglied im CSR NEWS-Netzwerk.
kirchhoff@kirchhoff.de

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